Mittwoch, 24. Dezember 2014

Weihnachten im Kollektiv

Drei blonde kurzhaarige Frauen stecken gleichzeitig und sortenrein ihre kleistianischen Frisuren in den Gemeinschaftsflur. Die Frage hat sich auf Kochen mit viel oder sehr Fleisch bei veganen Hintergedanken zugespitzt. Man kommt ursprünglich vom Dorf aus Afrika, MVP, oder Thüringen. Da wurde stets die Sau durchtrieben und ein Gänseknusper kam auf den Tisch. Erstaunlich übrigens, dass mit Afrika und der blonden Kleistianerin.

„Du, wir müssen stets unsere eingefahren Weltbilder überprüfen, Matthias!“, sagt mir Carola. Sie wird bald achtzehn und übt schon mal für ein Leben als Erwachsene außerhalb des Kollektivs. Wir haben uns für Grünkohl entschieden. Natürlich Berge vom Markt, möglichst noch mit Frostspuren, welche nicht von der seelischen Kälte der Marktfrau stammen. Ich hab mal gesehen, wie in einer Kommune gewaltige Mengen an Dosenkohl den Keller verstellten. Das hat mich echt schockiert, du. Und dann diese schlechten roten Wurstfotos auf den Etiketten, die an maltesische Kinderarme erinnern. Ekelhaft! Ausgesprochen ungut! Gewissenlos!

Wer erinnert sich nicht an den mulschigen Geschmack von Dosenpilzen, die in der Dose unten vergessen wurden und die, je mehr man sie zerkleinert, immer mehr nach Weißblech schmecken!? Das war die Gulaschzeit. Alle hatten die Schnauze voll von Reis mit Scheiß. Anschließend dann kam die Phase mit frischen Pilzen an Dosengulasch.

Carola: „Wie pervers ist das denn!?“
„Fräulein, räum mal erst mal dein Zimmer weihnachtsgerecht auf!“
Das war Carolas Mutter, eine energische Weißhaarige von der Schwäbischen Alb, die wo schon früh alternativ geworden ist. Aber: „Ordnung ist das halbe Leben. Ohne Männr gohd alles besser!“ Sie heißt Beate.

Warum, frage ich mich, enden alle Weihnachtsgespräche über Essen immer bei Dosenravioli? Wohl weil dieser Geschmack am trefflichsten in unseren Befreiungsknospen etikettiert ist, meint Hans, der neue christliche Freund der unglücklichen Maike.

Ein politisch korrekter Baum für die genossenschaftliche Gemeinschaftsbude musste dann halt noch her. Wir haben uns dann doch für eine mit frauengerecht erotischen Symbolen versehene Ginsengwurzel entschieden.

„Fräuloi, dai Danga guggd raus. Dafür hon i di ned im Sinne vom Kollekdivs erzoga.“ Beate ist noch etwas ungehalten über ihre Tochter Carola, die sich halt noch entwickeln muss, näch. Irgendwie!

Brigitte ist der Meinung, sie stamme aus Kenia. Das hätte sie in einem Roman gelesen. Es ist zwar wissenschaftlich belegt, dass niemand der Brigitte heißt, aus Kenia stammt, aber Brigitte fährt da einen anderen Film und formuliert das so, in dem sie sagt: „Ich habe da einen anderen Ansatz!“

Maike und Hans setzen ein neues Kind an, weil das erste sehr kartoffelartig geratene vom Erstvater nach Ostdeutschland wegadoptiert wurde. Das macht betroffen, zumal das Kinderzimmer immer noch steht, als wäre es von einem frischen Kindergeruch ausgefüllt. Dieser neue Ansatz wird als christlicher Gedanke allgemein ganz gut angenommen.

Frohes Fest!




24. Dezember 2014