Sonntag, 8. April 2012

Enorme Ostern

Als die Hasen noch Schokoladeneier schissen und die Jungfrauen nach Milchlamm dufteten, ging ich im Klövensteen zur Baumschule. Barfuss war ich und einen Tornister trug ich aus Brot und Holz. Ich liebte den Duft der Waldläufer und hatte gerade erfahren, dass Pippi Langstrumpf durch einen Querschläger der Dorfpolizistendeppen Kling und Klang schwer verletzt worden war und im Rollstuhl saß. Pippis Tod wäre aber auch zu hart gewesen und ich hätte nie vermocht, diese schlimme Nachricht, die alle Kinder der Welt niemals verwunden hätten, in einer Geschichte zu verwenden.

Als Fräulein Prysselius mit einem Pflegedienst anrückte, um Pippis steifen Wirbel mit Elchsfett einzureiben, wurde das Mädchen garstig, rief ein paar Schwedische Kraftausdrücke und drehte sich mit ihrem Rollstuhl traurig im Kreis und schluchzte: „Hallari hallahoppsassa!“ Tommy und Annika kümmerten sich nicht um ihre behinderte Freundin. Sie hatten zwar ein enorm schlechtes Gewissen, aber sie waren Provinzkinder und spießig obendrein und sozial nicht geschult mit Rollstuhlfahrerinnen in Strapsen zu verkehren.

Zu dieser Zeit verlor ich den Glauben an das Gute in den Hasen und Eiern. Und auch Astrid Lindgren wurde mir auf einmal suspekt. Warum wurden ihre Geschichten plötzlich nicht nur traurig, sondern auch brutal? Sie wurde zur alten Frau aus der Finsternis. Sie konnte Pippi ihr sexuell unbeschwertes Leben nicht mehr gönnen. Kein Wunder, dass Pippi als junge Frau später bisexuell wurde und sich nur noch züchtig kleidete. Eine echte Langstrumpf eben. Dass sie als Kind diese Fratzenlolita mit roten Haaren geben musste, verzieh sie der Alten nie.

Zu Ostern war bei uns daheim immer die Familie Woldtmann zu Besuch. Mit dem Jungen sollte ich im Garten Eier suchen. Der Knabe war Autist, was ich aber erst später erfuhr. Ich hielt ihn einfach für einen ignoranten Arsch. Vater Woldtmann war Jurist und mein Vater meinte, es wäre eine schöne Tradition, diesen Kontakt aufrecht zu erhalten. Zu Pflingsten waren wir dann immer im Gegenzug bei den Woldtmanns. Am Eßtisch erzählte ich dann die neue Geschichte von Pippi und der Woldtmannjunge musste bitterlich weinen. Die Woldtmanns verließen augenblicklich unsere Wohnung. Meine Eltern nahmen seit dem nie wieder Kontakt zu anderen Menschen auf.



8. April 2012