Dienstag, 2. Juli 2024

K(eine) Materialschlacht

 

In früheren Sportreportagen hieß es immer: Mensch und Material. Man wusste also, dass es sich hier um zwei unterschiedliche Aspekte handelt. Der Mensch nutzt das Material um erfolgreich zu sein. Beim Sport und bei der Arbeit. Die Betriebswirtschaftslehre, die im Verdacht steht, besonders nüchtern und nicht sonderlich human zu sein, spricht von Human Resources und meint damit das Immaterielle, was einem Arbeitgeber zur Verfügung steht. Gemeint ist vereinfacht gesagt: der Mensch. Und dabei ist es egal, ob er für viele Millionen Euro gegen den Ball tritt, oder für wenige Tausend einen Menschen aus dem Bett holt und pflegt.

 

Material ist das Stoffliche und Wertstoffliche, dieses was man zwischen den Fingern reibt, um seine Qualität zu erkunden. Gut, man hat den Begriff Mensch und Material schon mal gerne im Sinne böser Dinge vereinigt und damit verwässert. Kriegsrhetorik, die ja auch aktuell tödlicher Weise von der Fußballrhetorik übernommen wird. Adolf Hitler schrieb in „Mein Kampf“ vom „Menschenmaterial“ und im dunkelsten Kapitel nannte man die KZ-Häftlinge so, sogar mit dem Zusatz unbrauchbar.

 

Davon abgesehen ist es keine Frage, dass die geschäftlichen Zusammenhänge mit der runden Wertstofflichkeit (früher Leder) alles andere, als ein spaßiges Schwimmbecken für Nichtschwimmer mit Schwimmflügelchen sind. Da wird gefeilscht, ausgebotet und betrogen. Da wird gelogen und Menschen und sklavische Zusammenhänge stehen sich durchaus nah. Aber es ist keine Materialschlacht, sondern das harte Geschäft um Human Resources, also das Immaterielle. 

 

Und so lange wir Immaterielles, also Menschen das Material bewegen, bleibt das auch so. Natürlich verführt diese Debatte wie immer zu impulshaften Reaktionen. Leute, die es zum kotzen finden, dass „Spielermaterial“ der falsche Begriff ist. Leute, die es dann auch nicht zugeben, wenn sie entlarvt werden. Warum auch? Es ist ein mittlerweile verbreitetes Hobby sich von einer woken Klasse gegängelt zu fühlen, die allerdings in weiten Teilen weder Woke, noch belehrend sein will, sondern einfach nur manchmal weiß, welche Bedeutung nun einmal bestimmte Worte haben.

 

Woke Sprache mit ihrem knapp einhundert Jahre alten afroamerikanischen Ursprung – klar da sind natürlich traditionell viele dagegen, denn das wäre ja Politik. Wenn man aber Politik und Sport nie im Zusammenhang sieht, dann überlässt man sie übermächtigen Verbänden, für die es eine prima Gelegenheit finden, Spieler zu Material zu machen. Das erleichtert deren Arbeit ungemein.

 

2. Juli 2024 

 

 

Samstag, 22. Juni 2024

Die köstliche Erregung

 

Die köstliche Erregung wie rosa Schaumwein auf einer leichten Bluse im lauen Sommerwind. Wie, wenn ein Gender-getriggerter Handwerker auf die Vergangenheit seiner ihm nicht bekannten Vorfahren verweist. Wie, wenn ein falschparkender SUV – Pilot auf rote aggressive Radwege in seiner gefühlten Wagenkabinennähe mahnend deutet.

 

Das Trikot – oh das Trikot – das schön hässliche Trikot. Es hat Farbe. Der traditionell homophobe Dieter erklärt sich damit, dass er wegen seines Vornamens traditionell gehänselt wurde, weil seine MitschülerInnen noch Hans hießen, bzw. John, er hatte einen Engländer als Mitschüler. Ein toller Bursche dieser John, welchen alle Mädchen verehrten, ob dem ungelenk britischen Quatsch, den er so geschickt von sich gab und den kein Mensch eigentlich verstand. Dann noch Vlad der Pfähler VII, auch ein Mitschüler Dieters. Provokant schon damals sein Verhalten, nämlich Veganer. Nie wieder wurden so viele Blutorangen in einem SchülerInnen – Tornister gesichtet.

 

Und jetzt dieses Trikot. Ein Trikot dieser Mannschaft ist (so las ich) schwarzweiß. Das ist ja auch logisch. Die Fernsehübertragungen in der Mitte des 20. Jahrhunderts waren nicht in Farbe. Das hatte übrigens rein ästhetische Gründe. Es gab keine Rosetten auf dem Arm, man spielte ungeimpft. Und die StürmerInnen waren auch nicht am Hals tätowiert. Es gab auch keine Patchworkfamilien und somit auch keine Helikoptereltern mit Drohnenführerschein. 

 

Und jetzt dieses Trikot. Schweinchen Dick hat man gerne geguckt, wenn einen die Mutter aus der „Hölle Spielplatz“ wieder rein rief. Es gab Erdbeermilch. Pinke Erdbeermilch – lecker. Aber das Trikot der Deutschen war schwarz rot gold (angeblich), eigentlich war es ja … äh wie war es eigentlich? Jedenfalls war es nicht rosa, weil verboten. Dieter fand Verbote immer schon gut, weil sonst alles aus den Angeln lief und schließlich war man in Deutschland und nicht in Angelsachsen. Nun war es damals ja auch nicht üblich Trikots überall zu tragen, mit Namen drauf. Verbote machten also für Dieter immer Sinn, wenn sie nicht von den Grünen oder den Engländern kamen.

 

Man hatte auch keine Girlanden in Landesfarben an der Supermarktkasse um den schlanken weißen Schamanenhals hängen. Es war irgendwie Schwarzweiß, selbst das Kotelett mit Kartoffeln und auch dies natürlich nur aus ästhetischen Gründen. Man aß nur aus dem eigenen Teller und durfte die Hände in modernen Haushalten nur zur Onanie benutzen, wenn man sich heimlich von irgendwelchen Exoten (die man natürlich niemals ansprach) köstlich erregt fühlte. Hände zur Nahrungsaufnahme benutzten nur Menschen aus anderen Gegenden, die bewusst auf Hygienevorschriften verzichteten und kaum Zugriff auf öffentliche Toiletten hatten. 

 

In Dieters Welt war alles ordentlich. Reinheitsgebot, die Nachbarin, die sich immer mal den Salzstreuer auslieh (Zwinker) und das schwarzweiß schwarz rot goldene Trikot von deutschen Fußballspielern, die davon lebten, dass sie Gebrauchtwagen verkauften und alles ordentlich versteuerten.

 

Neulich las Dieter, dass das Nationaltrikot der Brasilianer bis zur Marcanaco 1950 weiß war und man nach der Schmach gegen Uruguay auf gelb wechselte. Dieter konnte Nächte lang nicht schlafen. Dann setzte er sich an seinen Laptop, ließ noch ein paar sexistische Posts auf diversen sozialen NetzwerkerInnen los und bestellte sich dieses ekelhafte Trikot. Er wollte ja nichtsdestotrotz ein moderner Ewiggestriger sein. Doch Mist: ausverkauft!

 

22. Juni 2024

Sonntag, 31. März 2024

Handlungsreisender über die Ostertage

Handlungsreisender über die Ostertage

 

Mein Name ist im Bereich des Schall und Rauch angesiedelt und wird nur bei behördlichen Kontrollen genannt. Ich bin Handlungsreisender in Sachen Alles und Grenzwertigkeiten. Eigentlich bin ich Produktvertreter, aber ich liebe es mich in einen literarischen Kontext zu installieren für den Wohlfühlfaktor meiner gebildeten und wohlhabenden KundInnen. Zu dieser Zeit gehen besonders Eier, Rührstäbe und praktische Frisur-Hilfen fürs alltägliche Hoppeln. Trage auch sowas hinter meinem jeweils linken und rechten Löffel. Mein österreichischer Kollege Max Lambrecht findet mich so jetset-mäßiger. Aber Kamerad Schnürpfoterl ist eh nur für Smalltalk zu haben.

 

In diesen norddeutschen Hotels schmeckt der Kaffee immer nach Meerwasser. Salzig wie die Gurken aus Rom oder Moskau. Die letzte Nacht vor der großen Auslieferung, noch das Gefühl der großen Zehe einer Gespielin in meinem Mund. Lackierte, gepflegte Füße, biologisch abbaubarer Lack – alles in Ordnung. Sie trägt ein Nasenpiercing mit dem Yin-Yang Symbol, was ich sehr sympathisch finde und auf dem Rücken ein Tattoo mit den Gesichtern von Amy Winehouse und Che. Junge Leute halt. Im Schulterbereich besitzt sie sehr weiches Fell, dass trifft man heutzutage ausgesprochen selten. Meistens haben die Damen ja da ein Muster rasiert, welches Stall und ZüchterIn verrät. Ich meine sie ist halb Französin und halb Rheinland-Pfalz.

 

Es ist soweit. Der große Tag: Ostersonntag. Dominca ressurrectionis. Einen kurzen Weg muss ich mit Bambusrucksack und Geschäftstrolley mit einem Land-Bus zurück legen. Furchtbar die Arbeit hier zwischen Nordsee und Baltic. Ich steige ein und muss noch mit Münzgeld bei einem stummen, drögen und grauen Fahrer meine Fahrkarte erwerben. Unwahrscheinlich rückschrittliche Gegend. Digital am Arsch. Das Hotel hat keine Matratzen mit zwei Härtestufen. Ein Skandal! Der Bus ist leer, nur so ziemlich in der Mitte auf unschönen Plastikschalen aus Fieber, sitzt eine rundlich rosige Bauersfrau mit einem frischen Gemüsekorb.

 

„Wenn de nu vörn hart bremsen deit,“, spricht sie in schnoddrigem Platt, „denn gifft dat Rührei!“. Was für eine blöde Kuh und ich zeige ihr in meiner Phantasie eine beleidigende Hasenpfote.

 

Frohe Ostern!

 

31. März 2024

Sonntag, 3. März 2024

Die Sache mit der Liebe

 

Medial werden wir stets über Form und Funktion des Gegenstandes Liebe unterrichtet. Ideale Paare mit Rosenkrieg-Power im Gepäck erzählen uns davon. Im Fernsehen z.B. und auf dessen ganzen Nebenerzeugnissen. Sie zeigen uns aber nicht die Liebe selbst, sondern Symbole, die wir verstehen sollen. Musik, Bilder, Schmuck. Glanz auf Haut und Erzählungen mit Blut und Schweiß. Im Garten ein Kinderkarussell – das Ideal. Auf der Gemeinschaftswiese eine Hüpfburg – die Norm für Menschen, die ab den 1990er Jahren geboren wurden. Wenigstens im Schlafzimmer ein Bockspringbett – die Basis. Keine Erklärung oder ein Beweis für Bock aufeinander, aber ein Symbol und für die meisten Menschen vor Nachwuchsplanung bei dieser komischen Möbelkette leistbar. Kredite, Rezepte, Naturheilverfahren machen es möglich.

 

Ganz unreligiös betrachtet ist für jeden Menschen eine Unterwelt angedacht. So wie in fast allen James Bond – Streifen oder bei den Fraggles: 

„Dance your cares away,

worry's for another day,

let the music play,

down at Fraggle Rock. …“

 

Unter jedem Menschen eine Klappe aus Stein, Stahl, Blech oder Papier. Je nach Bedeutung der Historie des jeweiligen Geschlechts. Überall findet man Gänge, Schächte, Schreibtische für Schaltzentralen. Dies ist so angedacht, aber nicht viele Milliarden Mal vorhanden. Und es ist ein gigantisches Problem, eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. Leute ohne Rückzugsorte zerfallen an der Wirklichkeit. Sie Verzweifeln am sich Zerreiben. Sie sind in Gesellschaft eine Zumutung. Und das kann aber auch wiederum an der Form und Art und Weise der Gesellschaft liegen.

 

Leute, welche die menschliche Kommunikation nicht gelernt haben, kein miteinander kennen, treffen sich, verlieben sich nicht ineinander, aber verschlafen gemeinsam das Leben. Die oder der eine oder andere schaffen es und legen sich statt Liebe ein anderes Hobby an.

 

3. März 2024